Medizinische Einrichtung vor Ort
30.05.2025
Reisebericht Mai 2025
Vom 30. April bis zum 16. Mai 2025 waren wir wieder in Ghana – mit viel Vorfreude, neuen Ideen im Gepäck und dem Ziel, unsere Projekte weiter voranzubringen. Diesmal zum Glück ohne verlorene Reisepässe und mit reibungsloser Visa-Einreise.
Der Hauptfokus unserer Reise lag auf dem Aufbau eines lokalen Teams und der Organisation unseres ersten eigenen Events. In intensiven Gesprächen mit Schulen, Kliniken und Partner:innen vor Ort haben wir diskutiert, beraten, gelernt – und unser ursprüngliches Ziel, Erste-Hilfe-Kurse durchzuführen, zunächst vertagt. Zu viele Fragen ließen sich vor Ort (noch) nicht zufriedenstellend klären. Stattdessen haben wir einen wertvollen Prozess durchlaufen: zuhören, verstehen, anpassen.
Mit Dr. Prince, einem engagierten Physician Assistant der Bethel Clinic in Kasoa, und Mina Daisy Chapman, einer außergewöhnlich strukturierten Organisatorin mit engem Draht zu den Schulen, konnten wir zwei starke Partner für unser Pilotprojekt gewinnen. Unterstützt wurden sie von zahlreichen weiteren Helfer:innen – und von euch allen aus der Ferne.
Gemeinsam haben wir ein Konzept entwickelt, das Schulen und Gesundheitseinrichtungen nachhaltig vernetzt. Die Idee: Monatliche Schultage mit verschiedenen Gesundheitsschwerpunkten, die von medizinischem Personal durchgeführt werden – inklusive Untersuchungen, Aufklärung und ggf. Behandlung.
Langfristig soll ein Fonds entstehen, der über diese Events hinaus medizinische Kosten für Kinder übernimmt. Der Testlauf startet in der Region Kasoa. Läuft das Projekt erfolgreich, möchten wir es auf weitere Regionen ausweiten.
Den Auftakt machte jedoch ein anderes, genauso wichtiges Thema: Menstruationshygiene. Mai ist der internationale Monat für Menstrual Hygiene, und wir wurden gebeten, unser erstes Event diesem Bereich zu widmen.
In Ghana ist Menstruation vielerorts ein Tabuthema. Viele junge Frauen schämen sich, sprechen nicht darüber – und verpassen Schultage, weil sie keine Binden haben oder Angst vor Stigmatisierung. Das kann dazu führen, dass Mädchen ihre Schulabschlüsse nicht schaffen. Hier wollten wir ansetzen.
Großartige Unterstützung bekamen wir dabei von Dennis, einem engagierten Ghanaer, der uns als Freiwilliger zur Seite stand. Er hat vor Ort seine eigene lokale NGO gegründet – die Dennis Relief Foundation – und bringt viel Erfahrung in der Aufklärungsarbeit rund um Menstruationshygiene mit. Durch seine Expertise konnten wir unser Event gezielt und sensibel gestalten – und dabei auch selbst viel lernen. Danke, Dennis, für dein Vertrauen, deine Zeit und dein Wissen.
Unser Team hat Großes geleistet. Bonlale William, Krankenschwester im Militärkrankenhaus, Aktivistin und NGO-Gründerin, hielt einen Vortrag, der die Kinder – Mädchen und Jungen – gleichermaßen mitnahm. Humorvoll, empowernd, klar. Ich selbst habe selten eine so starke, energetische und verbindende Aufklärung erlebt.
Insgesamt nahmen über 300 Kinder aus drei verschiedenen Schulen teil. Alle bekamen Binden – die Mädchen für sich, die Jungen für ihre Schwestern oder Mütter. Einige Pakete bleiben in den Schulen für den Notfallbestand. Eine dauerhafte Versorgung können wir aktuell leider noch nicht stemmen – aber wir setzen ein Zeichen. Gegen Scham. Für Mündigkeit. Für Aufklärung.
Die Organisation des Events war für uns auch ein Crashkurs in interkulturellem Projektmanagement. Was wir z. B. vorher nicht wussten: Während unseres Aufenthalts galten die Ge-Gesetze – spirituell-kulturelle Regeln, die in bestimmten Regionen zu bestimmten Zeiten gelten. Sie verbieten öffentliche Veranstaltungen mit Musik, Lautsprechern, Gesang oder Tanz. Wir mussten spontan umplanen, aus dem geplanten Open-Air-Event wurde eine Indoor-Veranstaltung – mit der ständigen Unsicherheit, ob sie überhaupt stattfinden darf.
Weitere wichtige Learnings:
- Veranstaltungen beginnen und enden traditionell mit einem Gebet, oft gesungen von Schüler:innen – ein bewegender Moment.
- Danksagungen an Unterstützende gehören zum festen Ritual.
- Snacks, Getränke, T-Shirts und Flyer sind keine Extras, sondern Teil der erwarteten Versorgung.
Wir haben all das nicht nur akzeptiert, sondern als große Bereicherung erlebt.
Aktuell laufen die Vorbereitungen für das nächste Event zum Thema Augengesundheit, erneut mit mehreren Schulen und integriertem Untersuchungsangebot. Dr. Prince und Mina koordinieren vor Ort, wir begleiten von Deutschland aus.
Im September folgen Veranstaltungen zu mentaler Gesundheit und Suizidprävention, im Oktober sind wir dann wieder selbst vor Ort und führen endlich unsere Erste-Hilfe-Kurse durch – mit allem Wissen, das wir nun gesammelt haben.
Diese Reise war ein Meilenstein – nicht nur für unser Projekt, sondern auch für uns persönlich. Wir haben Isaac wiedergesehen, einen Jungen, dessen Geschichte uns tief bewegt hat, und bemühen uns aktuell um einen Rollstuhl für ihn.
Außerdem: Am 30. Mai ist eine weitere Schiffsladung mit medizinischen Hilfsgütern angekommen – darunter ein gynäkologischer Untersuchungsstuhl. Mehr dazu in einem separaten Beitrag.
Wir sind dankbar für jede Erfahrung, jeden Austausch, jeden Schritt auf diesem Weg.
Denn eines haben wir wieder einmal gespürt:
Wirklich helfen heißt: zuhören, lernen, gemeinsam gestalten.
Text: Jessica Matyssek